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P. A. Straubinger – Im ORF-TV zur Quotensau

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RelativKritisch hat bereits mehrfach über den österreichischen Extremesoteriker Peter Arthur Straubinger und dessen Filmprojekt „Am Anfang war das Licht“ berichtet. Am 6. März 2013 war es schliesslich soweit. Zweieinhalb Jahre nach seinem Kinostart wurde das gezielt ideologisierende Machwerk Straubingers zur besten Sendezeit im Kanal ORF eins des öffentlich-rechtlichen Fernsehens der Alpenrepublik ausgestrahlt. Im Anschluss an die TV-Premiere, die bereits für den Herbst 2012 in das Programm des kulturlastigen Schwesterkanals ORF 2 eingeplant war, aber aus unbestimmten Gründen ausgesetzt wurde, organisierte der ORF eine Talkrunde, die sich mit dem umstrittenen Streifen des hauseigenen Scharlatans Straubinger auseinandersetzen sollte. Letztendlich diente „Der Talk“ vor allem dazu, die absehbare Kritik an der völlig unverständlichen Entscheidung abzufedern, diesen totalen Unfug überhaupt zu senden.

P. A. Straubingers „Am Anfang war das Licht“ (2010) im ORF eins, 06.03.2013

P. A. Straubingers „Am Anfang war das Licht“ (2010) im ORF eins, 06.03.2013

Etwa 100.000 Österreicher sollen 2010 für Straubingers Eso-Projekt, das erst mit nicht unerheblichen Mitteln des ORF und der steuerfinanzierten österreichischen Filmförderung realisiert werden konnte, an den Kinokassen angestanden und einen zusätzlichen Obolus abgedrückt haben. Im gesamten deutschsprachigen Raum stieg die Zahl der weiteren Erstkonsumenten noch erheblich und selbst die fremdsprachigen Lokalisierungen des Streifens konnten in weiteren Ländern vermarktet werden. Und am 6. März wurden durch „Am Anfang war das Licht“ und die nachfolgende Diskussion etwa 437.000 Zuschauer vor das TV-Gerät gelockt. Der ORF erzielte damit zur besten Sendezeit, um 20.15 Uhr, einen Marktanteil von 17 Prozent bei den angeschlossenen Haushalten. Viele Österreicher bekamen damit den gravierenden Unsinn retour, den sie erheblich mitfinanzierten.[1] Kein Wunder, dass Straubinger schon am Tag danach als quicklebendige Quotensau durchs soziale Mediendorf tobte.[2] Das ist die andere Geschichte, die noch zu diskutieren sein wird.

„Am Anfang war das Licht“

„Am Anfang war das Licht“

Wer als klardenkender und womöglich kritisch eingestellter Zeitgenosse die Gelegenheit genutzt hatte, sich das Machwerk des Hallstätter noch einmal anzuschauen, wird sich gewundert haben, wie dieses extrem langweilige und vor allem auch handwerklich nicht besonders beeindruckende Märchen in Spielfilmlänge überhaupt ein Publikum finden konnte. Bis zu einer sich selbstnährenden Sättigungsgrenze liegt das ohne Zweifel daran, dass Straubingers Werk sehr zielgruppengerecht „designt“ ist. Esoterische Gewissheiten sind in der Regel sehr einfach gestrickte, populistische „Wahrheiten“, die keine Ansprüche an individuelle Bildungsvoraussetzungen und mühsam erworbene Kompetenzen stellen. Diese Formen irrationaler Weltaneignung sind insofern „demokratisch“ und „sozial nivellierend“, da sie allen willfäh­rigen Empfängern, Schulabbrechern ebenso wie Akademikern, zur allgemeinen Verfügung stehen. In diesem Sinne lebt die Esoterik von „Am Anfang war das Licht“ wie vergleichbare irrationale Projekte von einem antielitären Duktus, den der Film und sein Macher gerne und reichlich bedienen.
Möglicherweise ist P. A. Straubingers Erfolg aber auch erst durch den lauten Widerspruch und den vitalen Protest induziert, dem das irrationale Projekt „Am Anfang war das Licht“ seit seiner ersten Ankündigung ausgesetzt war und für den der Filmemacher im Jahr 2011 dennoch verdient den Negativpreis des „Goldenen Brett vorm Kopf“ erhalten hat. Die Gesellschaft für kritisches Denken (GkD)[3], die österreichische Regionalgruppe der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP)[4], hatte diese Auszeichnung ausgelobt.

ORF TVTHEK: Nur für Inländer!

ORF TVTHEK: Nur für Inländer! Straubingers Film in der ORF-Mediathek (bis 13.03.)

P. A. Straubingers Streifen ist nicht nur unwissenschaftlich, er ist ein grotesk und mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln inszeniertes antiwissenschaftliches Pamphlet. Die Umgehung von wissenschaftlichen Standards ist kein handwerkliches Unvermögen, sondern leitbildende Mission des österreichischen Journalisten, der seinem eigenen Anspruch nach einen wesentlichen Aspekt des menschlichen Lebens alternativ erklären will. Der Macher von „Am Anfang war das Licht“ will für sein Filmprojekt zehn Jahre lang recherchiert haben, bevor er es der ihm zugeschnittenen und zugeneigten Öffentlichkeit präsentierte. Gemessen am abgelieferten Output kann man das nur als extrem ineffizient bezeichnen. Vergleichbar unsinnige und irrationale „Welträtsellösungen“ erscheinen im Internet im Wochentakt und in Legion. Straubingers repetitiv rezitiertes Mantra lautet, das „materialistische Weltbild zu hinterfragen“. Darunter versteht der Autor vor allem, das seit der Aufklärung zunehmend objektiv geformte wissenschaftliche Denken diffamieren zu wollen. Dieses wissenschaftliche Denken und seine Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis haben sich seit dem Mittelalter aber gerade mit klaren Regeln vom ungeordneten Spekulieren der Philosophen, Theologen und sonstiger spiritueller Traumtänzer wie P. A. Straubinger abgesetzt und emanzipiert. Mit diesem atavistischen Vorsatz katapultiert sich der Österreicher aber endgültig in eine Liga von Bauernfängern und Scharlatanen, die keine Stütze durch gemeinsam finanzierte gesellschaftliche Institutionen erhalten sollten. P. A. Straubinger kann behaupten was er will, aber das bitte in eigener Verantwortung und auf eigene Kosten. Insbesondere wenn das nachweislich letale Machwerk des öffentlich-rechtlichen Angestellten[5] beim dritten Hörfunkprogramm des ORF (Ö3)[6] die leider voraussehbaren Opfer fordert, wie zumindest im Falle der schweizer Bürgerin „Anna Gut“ dokumentiert.

Die Ausstrahlung von Straubingers Münchhausiade im österreichischen Fernsehen löste einen beträchtlichen Shitstorm gegen den ORF in den sozialen Netzwerken aus[7][8], der im Anschluss auch den ORF-Stiftungsrat beschäftigte. Alexander Wrabetz, der aktuelle Generaldirektor des öffentlich-rechtlichen Österreichischen Rundfunks (ORF)[9], sah sich letztlich veranlasst, sich von dem Film und seinen Inhalten zu distanzieren[10] und das Machwerk seines Angestellten Straubinger mit dem unrühmlichen Prädikat „natürlich ein inhaltlicher Schwachsinn“ zu kennzeichnen.[11] Der ORF-General hätte es besser wissen können. Jenseits der nachgeschobenen Versuche zur Schadensbegrenzung zeichnet er mit seiner Programmentscheidung, ähnlich dem Missgriff des Kulturkanals arte zum grassierenden Weltuntergangshype „2012“, für ein weiteres gravierendes Versagen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verantwortlich, der sich in der realen Umsetzung seines satzungsgemäss verankerten Bildungsauftrags zunehmend als inkompetent oder sogar als unwillig erweist. Es ist nachvollziehbar, dass die österreichische Tageszeitung „Die Presse“ die Frage aufwirft: „Man fragt sich, worüber man sich mehr ärgern soll: dass er für diesen Unfug Geld ausgegeben hat oder dass er ihn auch noch gesendet hat (in der Kulturschiene!) [...].“[12] Am 6. März kamen sich Wrabetz und Straubinger wohl so nahe, wie seit langem nicht mehr. Die Entscheidung für die „Quote“ hatte eindeutig Vorrang vor fundiertem Wissenschaftsjournalismus und dessen grundlegenden Qualitätsstandards, die den Verzicht auf eine Direktausstrahlung dieses esoterischen Streifens unbedingt nahegelegt hätten.[13]

ORF TVTHEK: „Am Anfang war das Licht - der Talk“! Auch für Ausländer.

ORF TVTHEK: „Am Anfang war das Licht – der Talk“! Auch für Ausländer (bis 13.03.)

Und wenn der Intendant des ORF sich selbst und seinen Zuschauern in die Tasche lügt, man habe von der Seite des ORF aus versucht, Straubingers inhaltlichen „Schwachsinn“ „in der anschließenden Diskussion herauszuarbeiten“[14], ist das wenig überzeugend. In der Tat hat sich der öffentlich-rechtliche Sender mit dem Feigenblatt der ab 21.45 Uhr ausgestrahlten Einlage „Am Anfang war das Licht – der Talk“[15] den am eigenen Auftrag doch recht reduzierten Ansprüchen nach eine perfekt choreographierte Legitimation verschafft, den Humbug des ORF-Mitarbeiters Straubingers zu senden und daran schlicht mitzuverdienen. Die vordergründige Behauptung, diesen Unfug aufklären zu wollen, hat der ORF bereits im Vorfeld verspielt. Die Diskussionsrunde wurde perfekt kontrolliert.

„Talk“-Teilnehmer Oberhummer, am 15. Februar noch gesetzt.

„Talk“-Teilnehmer Oberhummer, am 15. Februar noch gesetzt.

Eine zu kritische Auseinandersetzung wurde bereits durch die Entscheidung verhindert, den „Talk“ nicht live auszustrahlen, sondern ihn unter die Kuratel einer konditionierenden Aufzeichnung zu zwingen. Auf der Bank der Wissenschaft wollte der ORF zudem nicht zu eloquente Personen sehen, was zur Folge hatte, dass der Skeptiker und Science Buster Heinz Oberhummer[16], als erste Besetzung geplant, wieder ausgeladen[17] wurde und durch Ulrich Berger[18] ersetzt wurde.[19][20] Der Vorsitzende der Wiener Skeptiker ist ohne Zweifel immer eine erste Wahl für sicheres Debunking irrationaler Wortmeldungen, zur Zeit jedoch aufgrund nachvollziehbarer persönlicher Verpflichtungen nicht immer in Bestform. Zusammen mit Ulrike Schiesser[21], Psychologin und Expertin für Esoterik in der Bundesstelle für Sektenfragen[22] sorgte Berger dafür, das Konzept des ORF nicht allzusehr zu stören. Der bestellte Moderator Christoph Feurstein[23] hatte insofern wenig Mühe, den auf 45 Minuten angesetzten „Schlagabtausch“ im Sinne seines Arbeitgebers zu Ende zu führen. Feurstein gelang es nicht nur, die seltsam sediert wirkende „Wissenschaftsbank“ ruhig zu halten und der „Esoterikbank“ um Straubinger und seinem ideologischen Einpeitscher, dem professionell festgesattelten Rosstäuscher Rüdiger Dahlke[24] erheblichen Raum zu breiter Selbstdarstellung zu bieten. Der Moderator schaffte es zum Schluss auch noch, auf den Punkt gebracht, der Ulrike Schiesser die Zustimmung zu seiner ganz eigenen Kapitulation vor den Irrationalisten abzuringen: „Das Bewusstsein ist zu vielem fähig, der Geist ist grösser, als wir oft vermuten, als vielleicht auch die Schulmedizin oft vermutet … Glauben sie an die Kraft ihres Geistes, das Bewusstsein kann Berge versetzen.“ Warum, so fragt man sich, gibt es noch ein öffentlich-rechtliches Fernsehen? Mit Heinz Oberhummer oder einem Vertreter von RelativKritisch wäre die Runde jedenfalls auch für den Moderator Feurstein nicht so gemütlich zu Ende gegangen.


„Der Talk“ im ORF dauerhaft für In- und Ausländer bei YouTube

Dass „Der Talk“ im ORF nicht völlig umsonst war, lag nur an der Auskunftsfreudigkeit von Straubinger und Dahlke, die sich zurecht keinem wirklich ernstzunehmenden Widerstand ausgesetzt fühlten. Straubinger gab recht frei und offen zu, dass er bereits zu den ganz zentralen Fragen, was denn nun eine „feinstoffliche Ernährung“[25] oder eine konzeptionell längst überwundene „Lebensenergie“[26] sei, keine Ahnung hat. Die beiden Irrationalisten durften auch völlig unwidersprochen behaupten, das „Hörensagen“[27] eine legitime Art der Erforschung von Phänomenen sei. In ihrem Wirkungskreis allerdings eher eine Narration von Pseudophänomenen. Eine eingehendere Befassung damit muss P. A. Straubinger auch nicht interessieren, da er wie Dahlke von der reinen Gläubigkeit seiner Anhänger lebt und wissenschaftliche Methoden als elementares Teufelszeug ablehnt. Dahlke gelang es dann auch noch, sich selbst, Straubinger und die vielen weiteren, im Talk ungenannten cranks und Welträtsellöser wie immer als angeblich verkannte Opfer des dogmatischen Mainstreams darzustellen. Eingebremst wurde er dabei nicht. Wer wie Straubinger und Dahlke offen gegen die Aufklärung opponiert, sollte jedenfalls im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nur noch die Latrinen putzen dürfen. Es sei denn, der Intendant will das selber machen.

Und damit sind wir am Ende unserer merkwürdigen Geschichte, die sich Anfang März in Österreich abgespielt hat. Die wirkliche Herausforderung sind jedoch nicht die im Grunde lächerlichen Geisterfahrer wie Straubinger oder Dahlke. Das wirkliche Problem ist die kontinuierliche Marginalisierung von Wissenschaft in den Medien. Wie das Projekt „Kobuk“[28], zu recht feststellt, ziehen sich die Medien gerne auf ihre Verpflichtung zu Ausgewogenheit und Objektivität zurück, um sich scheinbar lässig ihrer Verantwortung entziehen zu können, wenn es darum geht, informiert Positionen zu unterscheiden, diese herauszuarbeiten und auch hartnäckig auf Antworten zu bestehen, wo nur Phrasen vorliegen: „Und das sieht dann so aus: Sie holen zwei Extremstandpunkte ein, stellen sie einander gleichberechtigt gegenüber und lassen das Publikum damit alleine.“
Damit unverdiente Augenhöhe nicht zum Prinzip wird, gibt es aufmerksame und kritische Skeptikerinnen und Skpetiker. Damit das so bleibt, ist auch manchmal Selbstkritik angebracht.


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